01.10.2018

Ein Interview mit dem Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld, Pit Clausen, zum „Tag der Stiftungen“ am 01.10.2018

Die Fragen stellt Dr. Lutz Worms, Vorstandsvorsitzender der Bielefelder Bürgerstiftung

Herr Clausen, während das Stiftungswesen ja bereits seit Jahrhunderten existiert, ist die Idee der Bürgerstiftung noch vergleichsweise neu. Diese „Jedermann“-Stiftungen engagieren sich fast ausschließlich für lokale Projekte. Wie schätzen Sie als Oberbürgermeister die Arbeit der Bielefelder Bürgerstiftung ein?

Die Bielefelder Bürgerstiftung leistet gerade durch ihr lokales Engagement und ihre lokalen Projekte einen unverzichtbaren und wertvollen Beitrag für ein besseres soziales Klima in unserer Stadt. Als Partner und Berater von Bürgerinnen und Bürger ermöglicht sie es vielen, sich nach Möglichkeiten und Interessen für die Stadtgesellschaft einzusetzen. Weiter so!

Ein Schwerpunkt der Arbeit der Bielefelder Bürgerstiftung liegt in der Jugendarbeit und zuletzt auch in der Unterstützung bei der Integration von Geflüchteten. Kommt es da manchmal auch zu unerwünschten Überschneidungen mit kommunaler Jugend- und Sozialarbeit?

Hier kann nicht von unerwünschten Überschneidungen gesprochen werden, da letztendlich das gemeinsame Ziel zählt. Die Arbeit der Bielefelder Bürgerstiftung ergänzt in vielen Bereichen die kommunale Arbeit. So wird z.B. über die Initiative „Kein Schulkind ohne Mittagessen“ in Ergänzung zu den von Stadt und Land angebotenen finanziellen Mitteln, die Finanzierung des Mittagessens für die Schulkinder übernommen, deren Eltern dazu selbst nicht in der Lage sind. 

Das Projekt „aufwind“ z.B. wird in Kooperation zwischen der Bielefelder Bürgerstiftung, dem Bildungsbüro der Stadt Bielefeld, der Universität Bielefeld und der Goldbeck Stiftung umgesetzt. Es bietet finanzielle Leistungen, eine Vielfalt an außerschulischen Unterstützungsangeboten und einen persönlichen Mentor / eine persönliche Mentorin als Paten für engagierte Schülerinnen und Schüler an, die sich erfolgreich um ein Stipendium beworben haben.

Unter den Flüchtlingen, die in Bielefeld eine neue Zukunft suchen, sind sehr viele Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Die Sicherstellung der Grundbedürfnisse ist sicherlich die Aufgabe der Stadt Bielefeld. Gleichzeitig gibt es aber auch eine hohe Bereitschaft von Bielefelder Privatpersonen und Institutionen, den Geflüchteten das Ankommen in Bielefeld zu erleichtern. 

Die Bürgerstiftung kann in diesen Fällen mit ihrer Arbeit Bielefelderinnen und Bielefelder mit Geflüchteten in Kontakt bringen und so gesellschaftliches Zusammenleben stärken und einen sinnvollen Beitrag für das Zusammenleben in der Stadtgesellschaft leisten.

In einer Bürgerstiftung engagieren sich zahlreiche Ehrenamtliche in ganz alltäglicher Arbeit. Wie wichtig ist dieses ehrenamtliche Engagement für den sozialen Zusammenhalt einer Stadtgesellschaft?

Sehr wichtig! Ehrenamtliches Engagement hat eine herausragende Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft. 

Menschen, die sich ohne eigenen Vorteil für andere oder das Allgemeinwohl einsetzen, geben Orientierung. In einer Gesellschaft, in der jeder nur seinen Vorteil sucht – im Sinne von „me first“ – würden wir alle etwas verlieren: nämlich unsere Werte wie Nächstenliebe oder Solidarität. Diese Werte prägen unsere Haltung und unser Leben. Sie geben uns Sinn und Identität.

Aktuell spüren wir auch in Deutschland eher ein Auseinanderdriften von Teilen der Gesellschaft und vielleicht sogar ein Infragestellen von Demokratie. Was wünschen Sie sich vor diesem Hintergrund von der Bielefelder Bürgerstiftung bzw. anderen gesellschaftlichen Institutionen in Bielefeld?

Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir, dass z.B. die Bielefelder Bürgerstiftung verstärkt ihre Arbeit weiterführt und freiwilliges Engagement weiterhin auf allen Ebenen ausbaut. Es gilt weiterhin Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen zu leisten. Bürgerinnen und Bürger müssen von den Spielregeln einer demokratischen Gesellschaft, die auf Verantwortung und Mitgestaltung setzt, überzeugt sein. Die Bereitschaft von Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren und sich für das Gemeinwohl einzusetzen.